Stadt, Land, Palmen



Einen Tag nach den Bundestagswahlen gibt es viele Sachen über die man sich Gedanken machen sollte, z.B. wie es eine rechtspopulistische Partei geschafft hat, drittstärkste Kraft zu werden. 
Doch bei allem Frust muss man sich vor Augen führen, dass sich schließlich auch 87% der Wähler gegen diese Partei entschieden haben. Man sollte sich nicht in Hasstiraden verstricken. Es ist Zeit, allen Menschen in Deutschland zu zeigen, welche Vorteile eine weltoffene Gesellschaft hat. Welche Möglichkeiten und positiven Effekte sich in Bildung, Politik und auch Wirtschaft ergeben können. Ohne eine weltoffene Politik hätte ich heute mit Sicherheit nicht die Möglichkeit, in Georgien zu sitzen und einen Bericht über meinen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst zu verfassen. Aber genug politisches Statement.


Tbilisi 


Seit meinem letzten Eintrag sind schon vier Wochen vergangen, die Zeit rennt. Mittlerweile bin ich in meinem Einsatzort angekommen, arbeite seit knapp zwei Wochen bei der "Young Pedagogues' Union" in Ozurgeti. 



Zu der letzten Zeit in Tiflis lässt sich nicht viel berichten. Weiterhin prägte das Erlernen der Sprache den Tag, kleinere Ausflüge an Seen oder in die Stadt gab es aber auch. Ein kleines Highlight war für mich der Ausflug nach Mskheta, der alten Hauptstadt des Landes. Dort besichtigten wir auch die zweitgrößte Kirche Georgiens, die Swetizchoweli-Kathedrale, die zum UNESCO-Welterbe gehört.

Zum Abschied, bevor neben mir noch zwei weitere Freiwillige in andere Regionen des Landes fuhren, gab es noch ein absolut traditionell georgisches Essen im "Hofbräuhaus". 

photoshop skill level:  pro 

Ozurgeti 

Vor eineinhalb Wochen habe ich mich dann in den Zug Richtung Batumi, also Richtung Schwarzes Meer gesetzt und konnte vier Stunden lang (für 315 Kilometer mit dem Schnellzug wohlbemerkt) die wunderschöne Landschaft des Landes genießen: Grüne Wälder, Wüste, Felslandschaft und schließlich zahlreiche Palmen. Eine Station vor Batumi wurde ich dann von meiner Arbeitskollegin abgeholt und zu meiner neuen Bleibe gebracht. Ozurgeti ist an sich sehr viel grüner als Tbilisi, die Luft ist frischer und die Berge höher. 

Ich wohne hier in einer kleinen Wohnung, die für georgische Verhältnisse wirklich hochwertig ist. Daran, dass zeitweise ein paar Stunden das Wasser ausfallen kann, habe ich mich schon in Tiflis gewöhnt. Einen tierischen Mitbewohner im Hausflur habe ich auch schon. Straßenhunde gibt es hier mehr als in der Hauptstadt, viele sind geplagt von Hautkrankheiten und ausgehungert. Der Umgang mit den Tieren ist für mich nicht leicht, aber zumindest akzeptieren die Menschen hier die Anwesenheit der Hunde und so muss ich mit dem natürlichen Selektionsprinzip anfreunden. Naja, ein bisschen versuche ich schon einzugreifen. Ein zweiter Sack Hundefutter wird heute gekauft. Dass man für das Füttern der Hunde auf der Straße mit wirklichem Hundefutter ein bisschen beäugt wird, stört mich dabei nicht. Und auch wenn ich die Situation nicht ändern kann, meinem Gewissen kann ich zumindest vorgaukeln, dass ich etwas tue. 



Arbeitsleben 


Mein Arbeitsplatz ist zu Fuß entspannte zwei Minuten entfernt. Direkt neben dem Büro meiner Organisation befindet sich das ebenfalls zur YPU (Young Pedagogues Union) gehörende Café (Infos zur Organisation findet ihr übrigens oben auf der Startseite unter "Young Pedagogues Union"). Am Tag meiner Ankunft besuchte ich neben diesen beiden Orten auch das "small group home" und das Seniorenheim. Überall ist zu sehen, wie viel Mühe in diese Projekte gesteckt wurde und dass jeder Mitarbeiter mit Herzblut bei der Sache ist. 

Mittlerweile habe ich mich auch schon in mein Arbeitsfeld eingefügt. Ich bin generell Montag bis Freitag von 9:30 Uhr bis 18:00 im Büro (mit einer Stunde Mittagspause). In dieser Woche kommen dann Georgisch Unterricht und Georgischer Tanz hinzu, zu dem mich andere Freiwillige aus aller Welt und meine Vorgängerin bei der YPU eingeladen haben. Momentan bin ich auf der Arbeit vorrangig damit beschäftigt, einen Fachkräfteaustausch im Bildungsbereich mit einer deutschen NGO (Nichtregierungsorganisation) zu planen. Projektskizzierung, Kostenaufstellung und Vermittlung zwischen beiden Organisationen stehen im Vordergrund. 

In dieser Woche werde ich mich außerdem mit einem georgischen Jungen beschäftigen, der Verhaltensauffälligkeiten zeigt und versuchen, mit Eltern und Schule die momentan belastende Situation zu entschärfen. In Georgien existieren so gut wie keine Psychologen, ebenso wenig gibt es die Möglichkeit einer Erziehungshilfe oder Familienberatung. Selbst wenn diese Dienste vorhanden wären, leisten könnte es sich wahrscheinlich niemand. Durch mein Studium in Pädagogik (mit Teilen der Psychologie) hatte sich die Organisation daher erhofft, dass ich Ratschläge weitergeben könnte. Ich versuche bei dem Thema sehr vorsichtig zu sein - insbesondere ohne vernünftige Sprachkenntnisse ist jegliche Beurteilung schwierig - und werde daher in der Schule wahrscheinlich  eher allgemeine Vorträge bzw. Präsentationen zum Thema "Psychoemotionale Herausforderungen für Kinder", "Mobbing" oder "Umgang mit verhaltensauffälligen Schüler/innen" vorbereiten. Mein Georgisch ist dann hoffentlich bald soweit, dass ich mit Lehren zumindest ein paar einfache Konversationen führen kann. 

Gomis mta 

An meinem ersten Wochenende in Ozurgeti haben mich meine Arbeitskolleg/innen zu einem Ausflug auf den "Gomis mta" eingeladen. Mit einer gemieteten Mashrutka (einer Art Minibus) sind wir etwa eine Stunde durch die Berglandschaft Guriens, der hiesigen Region gefahren. Je höher wir fuhren, desto atemberaubender wurde der Ausblick. Schließlich kamen wir in einem kleinen Dorf an, einem sehr einfachen Dorf. Weder Strom- noch Wasserversorgung gab es. Dafür aber die beste Luft, die ich seit langem eingeatmet hatte und wunderschöne Natur. Wir haben dort zusammen ein bisschen die Gegend erkundet, gegrillt und ein Weinchen getrunken. Der Ausflug war für mich in jedem Fall ein absolut gelungener Start in den Rest des Jahres. Die Bilder sind leider qualitativ (noch) nicht sehr hochwertig. Mir ist aufgefallen, dass in meiner Kamera eine riesige Speicherkarte aus Urzeiten steckt, die einen Kartenleser braucht, den mein Vater leider vergessen hat mir mitzugeben. Aber die Qualität der Bilder wird besser, sobald ich die Bilder auf meinen Laptop bekomme. 






Batumi 

Letztes Wochenende traf ich dann zum ersten Mal meine Vorgängerin bei der YPU. Jule hat sich dazu entschlossen, noch ein weiteres Jahr in Ozurgeti zu bleiben, arbeitet jetzt jedoch  bei einer neuen Organisation. Über sie habe ich dann auch gleich noch weitere Freiwillige aus den USA, Portugal, Polen und Ungarn kennengelernt. Ich wurde auch direkt sehr herzlich aufgenommen und bin dafür schonmal sehr dankbar. Gestern waren wir zusammen in Batumi, dem nach Tiflis größten Touristenort direkt am Schwarzen Meer. Mit der Mashrutka fährt man nur eine knappe Stunde und wenn man mal aus dem Kleinstadtleben ausbrechen möchte ist das die perfekte Gelegenheit. Die Stadt wirkt zeitweise faszinierend unwirklich und schon fast zu perfekt - zumindest wenn man auch schon gesehen hat, wie arm andere Gegenden Georgiens tatsächlich sind. Aber auch ein bisschen hinter den Luxushotels, der Strandpromenade und den kleinen beschaulichen Gassen finden sich riesige restaurierungsbedürftige Altbauten. Nichtsdestotrotz bin ich sehr froh, das Meer in so greifbarer Nähe zu wissen. Mir wurde in Tiflis wirklich noch einmal bewusst, welchen Stellenwert Natur für mich hat. 








Nächstes Wochenende geht es für mich allerdings schon wieder zurück in die Hauptstadt, wenn auch nur kurz. Zum Tag der deutschen Einheit sind wir Freiwilligen in die Botschaft eingeladen worden, darauf freue ich mich persönlich sehr. Da das Wochenende darauf ein Training meiner Organisation in Tiflis stattfindet, bleibe ich in der Zwischenzeit dort und werde ein bisschen im Zweitbüro der YPU mitwirken. Außerdem gibt es doch ein paar Sachen, die man besser in der Hauptstadt kaufen kann - wie z.B. hoffentlich einen Kartenleser.  

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Süße Grüße,

Katja 


Kommentare

  1. Wie immer fantastisch geschrieben meine allerliebste Katja. Man könnte fast meinen, man wäre dabei gewesen. Interessant finde ich vor allem deine Arbeit in der Aufklärung der Lehrer über Verhaltensauffällige Jugendliche.
    Bis bald
    Deine Carls

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