Veränderungen/Changes

Wenn wir mit einer Situation zufrieden sind oder uns vielleicht auch einfach nur mit ihr arrangieren können, verzichten wir meistens auf Veränderungen. Warum auch etwas verändern? Ist doch alles in Ordnung so wie es ist, oder? 
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Und ich möchte mich dieser Anschauung in keinster Weise selbst entziehen. Den Ausdruck des Gewohnheitstieres hat ohnehin jeder schon einmal gehört. Meistens ohne weiter darüber nachzudenken. Während meines Studiums habe ich mich das erste Mal ein bisschen tiefer damit auseinandergesetzt. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Ja, ich meine, ergibt Sinn. Festhalten liegt in unserer Natur, Loslassen müssen wir erst lernen. Sicherheit ist ein Grundbedürfnis, Unsicherheit verursacht Unbehagen oder Angst. Angst, sich den Veränderungen nicht anpassen zu können. 

Most of the time most people renounce changes. Especially if we are quite okay with the situation as it is or maybe even just arrange it somehow. I mean, why should we change something? It's fine the way it is, isn't it? 
Humans are creatures of habit. And I don't want to take myself out of this realization. Everyone has already heard this expression. More often than not we don't keep thinking any further about it. During my time at university I first dealt with this perception for a longer time. Humans ARE creatures of habit. Yes, I mean, it makes sense. It is human nature to hold on, letting go is something we need to learn. Security is a basic need; insecurity makes us feel uncomfortable or even anxious. We are afraid of not being able to adjust ourselves to changes.

Wenn man nach Georgien kommt, spürt man nach einiger Zeit die Umbruchsstimmung im Land. Es verändert sich momentan gefühlt alles. Um sich Europa und dem Westen anzunähern, wird in Georgien hart gearbeitet: Korruptionsbekämpfung, Pressefreiheit, Umweltschutz, Tourismus, Demokratisierung - alles Bereiche, in denen versucht wird, sich positiv zu entwickeln. Nach vielen Konflikten ab 1991, dem Jahr, in dem Georgien unabhängig wurde, merkt man insbesondere in Tiflis, dass das Land scheinbar keine Zeit zu verlieren hat. Betrachtet man die Menschen fällt auf, sich Veränderungen anzupassen, ist nicht unbedingt leicht. Es gibt einen starken Generationenkonflikt zwischen den jungen "europäischen" Georgiern und der Generation, die die Sowjetunion erlebt hat. Viele Dinge, die für uns normal sind, gelten hier noch als revolutionär. Und je mehr man drüber nachdenkt, desto mehr kann man verstehen, dass es tatsächlich Georgier gibt, die sich Stalin zurückwünschen. Denn bei allem Aufwand der in die Veränderung gesteckt wird, wird eines häufig vergessen: Einige bleiben dabei auf der Strecke. Genauer gesagt, die alte Generation, die kein Englisch spricht und deren Werte nah an der Kirche, das heißt eher traditionell und weniger liberal sind. 

[Eine unheimlich interessante Reportage dazu gab es auf Arte: 

"Der 27-jährige Georgier Zviad Gelbakhiani kennt die Sowjetzeiten nicht mehr. Er gehört einer neuen Generation an. Gelbakhiani träumt wie viele in seiner Generation von einer offenen Gesellschaft, die sich von den Fesseln der Vergangenheit befreit. Doch für diesen Traum geht er nicht zum Demonstrieren auf die Straße - sondern in seinen eigenen Techno-Club." Hier der Link zum Video]

After a short time in Georgia, you can already notice the atmosphere of upheaval. Currently, in Georgia, everything is changing. To get closer to Europe and the West the country works hard: fighting corruption, supporting press freedom, environmental protection, tourism, democratization - Georgia tries to develop in a positive way. After many conflicts since 1991, the year of independence, you can notice (particularly in Tbilisi) that the country apparently has no time to lose. Regarding the people, it's evident that not everyone can adapt to the changes easily. There is a huge generational conflict between the young, "European" Georgians and the generation, who experienced the Soviet Union. And the more you think about it, the more you'll understand, that there are indeed Georgians, who wish back Stalin. For although there is a big effort to change things here, which is of course very important, people forget about one thing: Thereby some people fall by the wayside. In fact, it's the old generation, that doesn't know any English and still hold onto the traditional values of the church, which are less liberal. 

(Concerning this topic there is a very interesting report but unfortunately it's only available in German; Summarized it's about the generational conflict that is revealed by the stories of a 27 year old owner of the first techno club in Tbilisi and Zurab, who is an old taxi driver in Tbilisi and represents the conservative values)

Bisher hatte ich in meinem Leben das Gefühl, dass viele meiner Schritte der Bequemlichkeit und Sicherheit geschuldet waren. Ich musste mich keiner großen Veränderung anpassen und habe mich nicht wirklich für eine große Veränderung entschieden. Ich wollte immer ins Ausland, wollte mich neuen Herausforderungen stellen, habe es aber doch nicht gemacht. Ich bin zwar nach meinem Abitur direkt ausgezogen, jedoch eben "nur" nach Dortmund, um dort zu studieren. Ich bin dort zwei mal umgezogen, hatte insgesamt eine wundervolle Studienzeit, aber bin einfach kein wirkliches Risiko eingegangen. Mit dem Schritt nach Georgien zu gehen, wollte ich etwas verändern. Interessanterweise habe ich früher immer gesagt, dass ich etwas "verändern" möchte. Ich habe während meiner Studienzeit viele Situationen sozialer Ungerechtigkeit erlebt, die ich so nicht hinnehmen wollte. Ich konnte und kann immer noch nicht sagen, was genau ich beruflich machen möchte. Ich wusste und weiß nur, dass ich in irgendeiner Weise zu einer positiven Veränderung (in) der Gesellschaft beitragen möchte. 


Up to this point in my life I've had the feeling that many of the decisions I've made centred around convenience and security. I've never had to adjust myself to a big change or decided deliberately remove for a change. I always wanted to go abroad and face new challenges, but I didn't do it for a long time. Although I moved out of my parent’s house right after school, I only moved to a city which was pretty close to study there. I moved two times during my time at university and all in all I had a great time but I never really took a bigger risk. By coming to Georgia after university I've tried to change something. In the past I always said that my goal in life was to change something. During university I was the legal guardian of a minor refugee from Guinea and worked in a NGO that works with migrants and refugees as well. I experienced many situations of social injustice through my work there that I simply didn't want to accept. I still don't know exactly what I want to do for a living. I only know that I want to be conducive to a positive change of or in society somehow. 

Dass Veränderungen sowohl positiv als auch negativ wahrgenommen werden können, ist klar. Oft hängt es mit der Frage zusammen, ob man sich aktiv für eine Veränderung entscheiden kann oder eben nicht. Ich konnte mich bewusst für dieses Jahr in Georgien entscheiden - was eine große Veränderung für mich bedeutete. Ich habe jetzt schon das Gefühl, dass der Schritt nach Georgien zu kommen, mein Leben absolut bereichert hat. Aber ich konnte eben bewusst eine neue Umgebung wählen, konnte mich zumindest teilweise darauf vorbereiten. In den letzten Wochen ist mir immer wieder deutlich geworden, was für eine Erleichterung es ist, sich selbst für Veränderung entscheiden zu können. Oft im Leben hat man diese Freiheit nicht. Ob es wie oben beschrieben eine Veränderung im Land, oder auf persönlicher Ebene der Verlust eines Jobs, eine Trennung oder Krankheit ist. Es gibt Dinge, die zu Veränderung zwingen und es gibt Dinge, die ohne die Aktion einer Person  etwas verändern können, ob die eigenen Sichtweisen und Handlungen oder die Beziehungen zu Anderen.


It's obvious that changes can be perceived as either positive or negative. Often, it depends on if we could decide for it deliberately or not. I already got the feeling that I've gained a lot by coming to Georgia. However, I've noticed that it is incredibly relevant that I've had the chance to decide for it on my own. I made the decision to change my surroundings deliberately and I had the chance to get prepared for this change - although I know that back in Germany it'll be quite difficult to find a compromise between "reintegration" and "change something". Within the last weeks I've become aware of the fact that it's an immense ease to be able to decide for a change. Life doesn't give you this option very often. No matter if it's because of a change your country goes through or on a more personal level such as sudden unemployment, a break up or a disease. There are things in life that force you to change something and there are things that just change something, your perspective, your actions or your relationships, without someone being able to prevent it. 

Aber zurück zu meinem Jahr hier. Bereits in der ersten Hälfte hat sich Einiges getan.
Mein Umfeld, meine Prioritäten, meine Sichtweisen - all das verändert sich, entwickelt sich weiter. Ich muss öfter über meinen Schatten springen und mich auch unangenehmen Situationen stellen. Mein Georgisch ist tatsächlich besser als mein Spanisch geworden, obwohl das zugegebenermaßen nicht wirklich schwierig war. Ich habe neue Freundschaften geschlossen, bin offener geworden. Ich habe mehr über mich selbst erfahren, wie schon mein letzter Eintrag über meine Sicht zu "Heimat" gezeigt hat. Und ich habe noch ein weiteres halbes Jahr hier, was mich sehr freut. Zum Einen weil ich es ab Mai mit jemandem teilen werde und zum Anderen, weil sich meine Arbeitsstruktur jetzt ein wenig verändert hat. Im Januar hatte ich leider fast gar nichts auf der Arbeit zu tun, weshalb ich Anfang Februar um ein Gespräch mit meiner Chefin bat. Ich habe gemerkt, dass ich einfach nicht den ganzen Tag im Büro vor dem Laptop sitzen kann und habe nun neue Aufgaben bekommen. Zusammen mit meiner Vorgängerin Jule gehe ich jetzt einmal die Woche ins Altenheim der Organisation, außerdem planen wir Aktivitäten für das Small Group Home. Am meisten freuen wir uns aber darüber, dass wir eine eigene englischsprachige Leadership School Klasse bekommen, mit der wir einmal die Woche Trainings durchführen (z.B. zum Thema Gender, Rassismus, Umweltschutz oder auch praktischere Sachen wie einen Rhetorikkurs). Zusätzlich soll ich einmal im Monat zu einem speziellen Feiertag eine Aktion mit der Leadership School planen. Büroarbeit habe ich natürlich weiter noch. Ich schreibe Projekte, momentan für die Umsetzung von "LEGO Education" für ca. 70 Kinder und Jugendliche in dieser Region. Dennoch bin ich sehr froh, dass ich mehr Abwechslung im Arbeitsalltag habe. Und ich bin froh, dass ich noch weitere sechs Monate hier bin. Denn Veränderungen brauchen Zeit. Selbst dann, wenn man sich bewusst für sie entscheidet. 

But let's go back to my year in Georgia. Already within the first half of this year many things have changed or are changing. My environment, my priorities, my perspective - everything is changing or developing further. More often than before I need to bite the bullet and cope with uncomfortable situations. My Georgian got better than my Spanish, which was not really difficult but I'm still proud (also I need to be proud sometimes otherwise I'd give up on learning Georgian). I made new friends and got more open-minded. As my blogpost "home" might have shown, I've learned more about myself. And I'm happy to be here for another half a year. Especially because I won't spend it on my own any more from May on and also because my daily routine at work has changed. January was quite a hard month for me because I almost had nothing to do. At the beginning of February I asked my boss for a meeting. I've noticed that I just can't sit in the office all day staring at my laptop. My boss was very understanding and together we figured out some new tasks for me. Now, together with the old volunteer in my organisation, Jule, I'm going to the old people's home once a week. Also we'll plan some activities for the children's home of our organisation. One thing we're very excited about is our own English leadership school class, in which we will do some trainings concerning topics like gender, racism, environment but also practical issues e.g. rhetoric and communication or a first aid course and "emergency psychology". Besides that I'll do an event with the leadership school once a month on an UN holiday. And I'm still working in the office to write some projects. My current project is about the implementation of LEGO education in Guria for about 70 children and young people. All in all, I'm very happy to have more variety at work now. And I'm happy to be in Georgia another six months because changes sometimes need time, even though we decided for it. 





Hier seht ihr noch ein paar Impressionen aus meinem Januar. Dadurch, dass ich auf der Arbeit nicht viel zu tun hatte, habe ich wieder ein paar ganz nette Ausflüge unternommen. Besonders Ski fahren in Gudauri war unglaublich schön. 

Here are some impressions of my life in January. As I didn't have much to do at work, I made some nice excursions to Gudauri, Tbilisi and Batumi.  

Süße Grüße, 
Katja 




































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